Review: Helge Timmerberg hat Agatha Christie gelesen

In der Schule hatte ich Spanisch. Nach 5 Jahren, also in der 11. Klasse, haben wir einen Ausflug ins Instituto Cervantes gemacht und eine Buchlesung besucht. Ich habe damals nix verstanden, auch nicht die Fragen. Darum war es ziemlich langweilig. Ein anderes mal war ich mit einer alten Freundin bei einer Lesung. Ich weiß noch, dass es in einem Keller in der Gegend der Oranienburger Strasse war. Das Ambiente war toll (Gewölbe) und die Leute, die ihre Bücher oder Texte vorgestellt haben waren witzig. An mehr kann ich mich nicht erinnern. Gestern habe ich dann mit meiner Freundin C. das Thema Lesung nochmal neu aufgerollt. In der Backfabrik am Alex hat Helge Timmerberg aus Agatha Christies “Mord im Orientexpress” und ein paar Leserbriefe vorgelesen. Zumindest war das so der grobe Plan. Das ganze wurde von der Buchbox veranstaltet.Der Zusammenhang zwischen den beiden Autoren besteht darin, dass Timmerberg selber auch mal mit dem Orientexpress gefahren ist. Seine Bücher handeln ansonsten von seinen vielen Reisen. Interessanterweise habe ich bereits ein Buch von ihm gelesen (Der Jesus vom Sexshop). Von Agatha Christie habe ich dagegen noch nie etwas gelesen und das obwohl sie dieses Jahr 125 geworden wäre (der Grund für dieses ganze Spektakel). Nun hatten wir beide (C. hat zwar den Orientexpress zu Hause, aber noch nicht gelesen) also die Möglichkeit mal ein Bild von einer der größten Krimiautorinnen aller Zeiten zu bekommen.

Eine Lesung habe ich mir ungefähr so vorgestellt. Man sagt ein paar einleitende Worte. Dann wird gelesen. Es gibt eine Pause. Dann wird noch etwas gelesen. Wer den Film “Papa ante Portas” von Loriot gesehen hat, kennt auch die Szene, in der sie zu einer Lesung kommen, der Autor aber durch seinen eigenen Schluckauf unterbrochen wird. Das war so meine schlimmste Befürchtung. Aber es kam anders. Wenn man bei Timmerberg eine Lesung besucht, darf man nicht zu viel reines Lesen erwarten. Quasi die gesamte erste Hälfte hat er nur erzählt und gefühlte (und eventuell auch reele) 1.5 Seiten vom Orientexpress gelesen. Die ersten 5 Sätze wurden immer unterbrochen von “Ach dazu muss ich noch schnell was sagen” und schon waren wieder 5 Minuten rum. Teilweise hat man beim Zuhören ganz vergessen, dass es ja eigentlich um Agatha Christie gehen sollte. Er hat sich dann selber immer mal daran erinnert und den roten Faden eingefädelt. Er hat viele lustige Anektdoten erzählt. Darüber, dass er angeblich kein Französisch kann, obwohl er in Frankreich gelebt hat, wie wichtig Alkohol (sehr wichtig! am besten Absinth) bei Lesungen ist und wie eine Elephantiasiserkrankung fast für eine vorschnelle Hochzeit gesorgt hat (Die Geschichte kam auch im Jesus vom Sexshop vor…glaub ich). Zwei Witze über Italiener gabs auch.

Nichtsdestotrotz hat er auch zwei Leserbriefe vorgelesen. Einer kam von einem 14 Jährigem, der gerne einen Krimiclub in der Schule eröffnen möchte, nachdem er das erste Buch von ihr gelesen hat. Außerdem möchte er nun selber ein Buch schreiben. Agatha war so hingerissen davon, dass sie ihm eines ihrer Bücher zugesendet hat. Der zweite Leserbrief kam von einer Frau (ich glaube, sie war Polin), die in Gefangenschaft gelebt hat. Also zwei recht kontrastreiche Briefe.

Insgesamt hat er 3 oder 4 Kapitel aus dem Orientexpress vorgelesen. Den Mord hat er ausgelassen. Das Vorlesen (auch der Leserbriefe) hat mir sehr gut gefallen, hätte glatt auch von einem Hörspiel sein können. Während des Lesens hat er immer wieder gestikuliert und seine Lesen damit unterstrichen. Das hat mir ebenfalls gut gefallen (wäre damals bei der spanischen Lesungen vielleicht auch hilfreich gewesen). Ich habe jetzt auf jeden Fall Lust bekommen das Buch demnächst zu lesen. Auch von der Verfilmung hat er sehr postiv gesprochen. Is auch nicht schwer, hat ja auch Sean Connery mitgespielt (gibts überhaupt einen schlechten Film mit Sean Connery?). Der steht jetzt auf jeden Fall auch auf meiner Filmguckliste. Im Grunde hatte ich das Gefühl, dass Agatha Christie mehr eine Art “Rahmenhandlung” für seine Lesung war und er im Grunde genommen einfach “einen Schwung aus seinem Leben” erzählen wollte. Das ist auf keinen Fall schlecht gewesen, ich glaube, alle haben sich amüsiert. Er kann auch gerne mal auf eine Quatschtour gehen, wo er einfach mal erzählt, was ihm so einfällt. Aber vielleicht klappt das dann ohne Rahmenhandlung gar nicht so toll.

Timmerberg ist auf jeden Fall jemand, der gerne spricht und andere Leute unterhält. Ich hab ihm zwar nicht alle seine Geschichten geglaubt, so wie er sie erzählt hat, aber das ist eigentlich auch egal. Ich war eh nicht dabei. Wenn er mal wieder auf einer Lesetour einen Stopp in Berlin macht, will ich auf jeden Fall auch dabei sein. Ein sehr amüsanter Abend. Und am Ende war sogar Punkt 22 Uhr Schluss. Ende.

 

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